Von Ingrid Ewering / An ihrem dritten Arbeitstag in der Elefanten-Apotheke übergibt die langjährige PTA der PTA-Praktikantin ein Rezept mit der Bitte, die verordnete Rezeptur anzufertigen. Aufgrund der Vielzahl der aufgeführten Bestandteile runzelt die Praktikantin zunächst die Stirn, beginnt dann aber sofort mit der Plausibilitätsprüfung.
Als die erfahrene Kollegin den unglücklichen Gesichtsausdruck der Praktikantin sieht, muss sie schmunzeln: »Das war Frau Lustig, die für ihren Mann bereits häufig diese Rezeptur bei uns anfertigen ließ. Finde doch einmal heraus, welche Aufgaben die Bestandteile haben!«
Also geht die Praktikantin die einzelnen Substanzen der Reihe nach durch und ruft sich deren Eigenschaften in Erinnerung. Spontan fällt ihr aus dem Galenikunterricht ein, dass Harnstoff und Glycerol zu den Feuchthaltemitteln gehören. Außerdem hat sie gelernt, dass Urea pura oft rekristallisiert und dann auf der Haut kratzt, was nicht sein darf. Kaliumsorbat ist das Konservierungsmittel. Sorbitane sowie Macrogole sind ihr geläufig als Emulgatoren. Als grenzflächenaktive Stoffe vermitteln sie zwischen Öl und Wasser.
Ohne Fettphase
Plötzlich hält die Praktikantin in ihren Überlegungen inne und stutzt: »Es fehlt die Fettphase!« »Das hast du gut erkannt«, lobt ihre Kollegin. »Aber es fehlt noch etwas ganz Wichtiges: nämlich wasserfreie Citronensäure, sonst verkeimt die Creme! Denke bitte daran, dass in der vorliegenden Rezeptur das eigentlich konservierende Agens die Sorbinsäure ist!« Die Emulsion enthält zwar Kaliumsorbat, das sich problemlos bei Raumtemperatur löst. Doch wenn nach dem Emulgieren die wasserfreie Citronensäure zugefügt werden muss, entsteht aus dem Kaliumsalz die Sorbinsäure (siehe auch Kasten), die die Wasserphase vor mikrobiellem Befall schützt.
3 Kaliumsorbat + wasserfreie Citronensäure → Kaliumcitrat + 3 Sorbinsäure (Salz der Sorbinsäure + stärkere Säure → Salz + freies Konservierungsmittel)
Nach kurzem Überlegen ruft die Praktikantin überrascht: »Jetzt habe ich endlich den Merksatz aus meiner PTA-Schulzeit begriffen: Die stärkere Säure verdrängt die schwächere aus ihrem Salz!«
So rückwärts eingeparkt stabilisiert das bei Raumtemperatur feste Sorbitanmonostearat die vorliegende O/W-Emulsion trotz seines umgekehrten Tensidcharakters und ist gleichzeitig der Strukturbildner«, erläutert sie stolz.
Hydrophile Basisemulsion
Die früher als hydrophile Hautemulsionsgrundlage bezeichnete Emulsion besteht aus 7Prozent Fettanteil und 93Prozent hydrophiler Phase. Diese wiederum setzt sich zusammen aus 86Prozent Wasser sowie 4,3Prozent Glycerol, das als nichtflüchtige Komponente die Haut längerfristig feucht hält. Durch den Zusatz des natürlichen Feuchthaltefaktors Harnstoff mit seinen sehr guten Wasserbindungskapazitäten werden die oberen Hautschichten rasch mit Feuchtigkeit gesättigt. Herr Lustig leidet unter atopischer Dermatitis und setzt die Harnstoffemulsion nach dem Duschen großflächig zur Soforttherapie seiner trockenen, juckenden sowie schuppenden Haut ein, berichtet die PTA. Die Creme ließe sich sehr gut verteilen, ohne dass ein lästiger Fettfilm zurückbleibt. Deshalb wird sie von den Patienten besser akzeptiert als lipophile Zubereitungen. Leider erreicht die hydrophile Emulsion keine tieferen Hautschichten und der Therapieerfolg ist lediglich kurzfristig.
Nach der Plausibilitätsprüfung muss die Praktikantin nun die Herstellung planen. Also fragt ihre Kollegin: »Wie würdest du die Zubereitung herstellen?« »Harnstoff ist in Wasser im Verhältnis 1:1 löslich«, antwortet sie rasch. »Verdunstet das Wasser, entstehen grobe Kristalle, die ab einer Korngröße von 200µm auf der Haut spürbar sind. In der wasserreichen Basisemulsion dürfte die Rekristallisation nicht problematisch werden«, überlegt die Praktikantin laut. »Ja. Alles korrekt, aber komme bitte auf die Ausgangsfrage zurück!«, unterbricht die Kollegin.
»Wir haben bei hydrophilen Grundlagen den Harnstoff einfach aufgestreut. Das Lösen geschieht unter Wärmeentzug aus der Umgebung, also als endotherme Reaktion. Die Zubereitung könnte sich kalt anfühlen. Man ist deshalb geneigt, Wärme zuzuführen. Dies sollte bei wasserhaltigen Harnstoffrezepturen immer vermieden werden«, fasst sie ihr Schulwissen zusammen.
Das richtige Abgabegefäß
»Ja, aber kannst du mir bitte erklären, warum nicht erwärmt werden soll«, fragt die PTA. Daraufhin schlagen beide gemeinsam in einem Lehrbuch das chemische Verhalten von Harnstoff nach. Schnell wird ihnen aus der Strukturformel klar, dass Harnstoff bei Wärme in CO2 und NH3 zerfällt. »Das gebildete Kohlendioxid könnte Aluminiumtuben im Sommer aufblähen. In Spenderdosen passiert dies nicht, da diese für Gase durchlässig sind. Problematisch ist die Ammoniakbildung: Die starke Base reagiert mit sauren Bestandteilen der Rezeptur. Deshalb muss zum Schutz der Sorbinsäure ein Puffer zugesetzt werden. Dies kannst du im Kommentar zur Hydrophilen Harnstoff-Emulsion (NRF 11.72.) nachlesen«, berichtet die erfahrene PTA.
»Handelt es sich etwa um eine standardisierte Rezeptur!«, ruft entrüstet die Praktikantin und schlägt schon die entsprechende Seite im NRF auf (siehe Tabelle). Dort liest sie: »In einer tarierten Fantaschale werden Harnstoff, Milchsäure und Natriumlactat-Lösung mit Hydrophiler Basisemulsion DAC verrührt. Dabei stellt sich der pH-Wert mit 4,2 sehr hautfreundlich ein und die Zubereitung wird dünnflüssiger.« »Dies passiert aufgrund des thixotropen Verhaltens«, erklärt die PTA. »Die Zubereitung verhält sich wie Ketchup, das bei mechanischer Belastung wie Schütteln dünnflüssiger wird. Deshalb ist die Harnstoff-Emulsion in einer Schüttelmixtur-Flasche mit Klappscharnierverschluss abzugeben und auf dem Etikett darf der Hinweis ›vor Gebrauch schütteln‹ nicht fehlen.«
»Ja, sollte Dr. Dermus nicht darüber informiert werden, dass es sich bei der Verordnung um eine standardisierte Rezeptur handelt? Unter dem Stichwort ›Tools‹ sind Musterbriefe zur Kommunikation mit dem Arzt hinterlegt«, fragt die PTA-Praktikantin und bespricht dies mit dem Apothekenleiter. /
Rezeptur-Videos
Rezepturprobleme? PTA-Forum hilft in kurzen, aber sehr informativen Videos auf YouTube weiter – von der Herstellung von Kapseln oder Gels bis hin zum richtigen Wiegen oder wie man Inkompatibilitäten vermeidet.
→ zu den Rezeptur-Helfern auf Video